Geht wählen!
Die Bundestagswahlen in Deutschland stehen vor der Tür und
immer öfter spreche ich mit Menschen, die bereits jetzt entschlossen sind nicht
wählen zu gehen. Wie es um die Wahlbeteiligung in Deutschland steht und warum
man unbedingt wählen gehen sollte, erfährst du hier. Ein Plädoyer für die
Teilhabe.
Wilhelmine Wulff
So sieht es aus in Deutschland...
Zunächst sollen an dieser Stelle ein paar prägnante Zahlen
und Fakten für dich zusammengefasst werden: Dass die Wahlbeteiligung in
Deutschland sinkt, ist schließlich kein Geheimnis mehr.
Wahlbeteiligung allgemein
Die ansehnlichen 91,1% Wahlbeteiligung der Bundestagswahl
von 1972, sind 2009 auf traurige 70, 8% gefallen. Grundsätzlich sind die
deutlich über 80% Wahlbeteiligung, die vor der Wiedervereinigung
selbstverständlich waren, heute ein weit entfernter Traum.
Bei anderen Wahlen sieht es mit der Wahlbeteiligung
noch schlechter aus: Bei Landtagswahlen wird in der Regel gerade einmal die 50%
Marke geknackt, Kommunalwahlen schaffen im Schnitt 45%, die letzte Europawahl
machte gerade mal 43%. [1]Wahlbeteiligung nach Altersgruppe
Betrachtet man sich obige Darstellung, fallen einige Punkte sehr schnell auf: Als allererstes sticht ins Auge, dass, bis auf wenige Ausnahmen, die Regel gilt, „ja älter, desto eher geht man wählen". Hier spielen nur zwei Altersgruppen nicht mit: Zum einen die über 70jährigen und zum anderen die unter 21jährigen. Dass die ältesten unserer Gesellschaft nicht mehr alle wählen können, drängt einem Gedanken an andere Gründe auf. Für viele spielen sicherlich die körperliche und geistige Verfassung eine entscheidende Rolle.
Dass jedoch die unter 21jährigen sich stärker an der Wahl
beteiligen, als die Bürger zwischen 21 und 25, und unsere jüngsten Wähler 2009
sogar die 25-30jährigen überholt haben ist durchaus interessant. Vor allem wenn
man bedenkt, dass bei Debatten um die Wahlaltersenkung stets Argumente
fallen, die besagen, Jugendliche hätten weder Interesse daran sich zu
beteiligen, noch seien sie dazu in der Lage.
Wahlbeteiligung nach Geschlecht
Repräsentative Wahlstatistiken zeigen, dass bei bisher jeder Bundestagswahl von 1953 bis 2009, die
Männer, in Sachen Wahlbeteiligung, die Nase vorn hatten. Jedoch zeigt die Entwicklung auch, dass es
für die Frauen garnicht so schlecht aussieht. Der Abstand zwischen den
Geschlechtern wird nämlich von Wahl zu Wahl geringer: Von 3,1 Prozentpunkten
Unterschied bei der Bundestagswahl 1953, ist die Differenz bis 2009 auf 0,8
Prozentpunkte geschrumpft.[2] Aber
trotzdem, liebe Frauen, da geht noch mehr!
Muss man sich wegen der niedrigen Wahlbeteiligung Sorgen machen?
Nein...?
Es gibt Theorien, die besagen, dass die niedrige
Wahlbeteiligung kein Grund zur Sorge sein sollte. Da deren Argumente recht
interessant sind, sollen sie an dieser Stelle kurz aufgeführt werden.
Die drei Thesen auf die sich in der Regel an dieser Stelle
berufen wird sind:
- Normalisierungsthese: Die deutsche Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen liegt im internationalen Vergleich relativ hoch. Die Tatsache, dass sie im Vergleich zu den 70er Jahren abgenommen hat, zeugt viel mehr von einer Normalisierung als von einem Krisensymptom der Demokratie.
- Zufriedenheitsthese: Wer nicht wählen geht, ist mit der aktuellen Politik und der Funktionsweise der Demokratie einverstanden.
- Substitutionsthese: Wahlen sind für viele nicht mehr die Beteiligungsform, die zu ihrem Lebensstil passt. Genauso wenig wie die Mitarbeit in Parteien und Verbänden. Sie identifizieren sich eher mit alternativen Beteiligungsformen, wie Bürgerbewegungen, Boykotten & Co. [3]
Ja...!
Selbstverständlich ist der Rückgang der Wahlbeteiligung
trotzdem ein Grund zur Sorge. Vor allem, wenn man bedenkt, dass bisherige
Erfahrungen folgendes gezeigt haben: Je größer die soziale Ungleichheit, desto
niedriger die Wahlbeteiligung.
„Denn je ungleicher ein Land ist, desto weniger vertrauen
die Bürger ihren Politikern und Parlamenten und desto unzufriedener sind sie
mit ihrer Demokratie.“[4]
Es sollte unser aller Ziel sein, dass wir aus
Unzufriedenheit nicht die Konsequenz ziehen, nicht mehr wählen zu gehen. Jeder
und jede sollte die eigene Stimme nutzen. Sie einsetzen um etwas zu bewegen.
Denn wer das nicht tut, kann noch lange unzufrieden zu Hause sitzen – ändern
wird sich dadurch nichts!
Und warum soll ich wählen gehen?
Eigentlich ist dieser Artikel ja nicht dazu da, dir Zahlen
und Fakten der bisherigen Wahlen um die Ohre zu hauen, sondern
Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn meiner Meinung nach ist eines ganz klar:
Jeder sollte wählen gehen!
Wir brauchen die Demokratie, die Demokratie braucht uns!
In der Demokratie ist „das Volk oberster Souverän und
oberste Legitimation politischen Handelns.“[5] Da das
Volk jedoch trotzdem nicht die unmittelbare Herrschaft ausübt, ist der Beitrag
jedes und jeder Einzelnen, auf gesetzlich geregelte Teilhabeverfahren, wie zum
Beispiel Wahlen, beschränkt. Der
folgende Rückschluss ergibt sich quasi von selbst: Wenn das Volk die
Beteiligungsformen nicht mehr nutzt, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Teilhabe verfallen
lassen, entziehen wir somit der Demokratie ihre Grundlage. Wir brauchen die
Demokratie, denn schließlich ist „Die Demokratie die schlechtester aller Staatsformen,...
ausgenommen aller anderen.“ (Winston Churchill).
Aber die Demokratie braucht auch uns. Wenn Bürgerinnen und Bürger sich
immer weniger beteiligen wollen, wird diese Staatsform damit ad absurdum
geführt. Da sie jedoch die einzig richtige ist, bleibt nur eine
Konsequenz: Beteiligung!
Kleinvieh macht auch Mist!
Es ist ein typischer Trugschluss, dass Bürgerinnen und Bürger denken,
wenn man nicht eine der großen Parteien wählt, sei die Stimme sowieso
verschenkt und man könne genauso gut weiter zu Hause sitzen und Tee trinken. An
dieser Stelle muss jedoch bedacht werden, dass es in Deutschland nicht nur die
5% Hürde für den Einzug in den Bundestag gibt. Es gibt außerdem eine 0,5%
Hürde:
Ab 0,5% der abgegebenen gültigen Stimmen erhält eine
Wahlliste eine Wahlkampfkostenerstattung. Solange eine Partei wie die NPD davon
profitiert, und Steuergelder von uns erhält, ist das natürlich ärgerlich. Aber
es gibt ja auch andere Parteien unter den „Sonstigen“. Parteien, die für den
ein oder anderen vielleicht wählbar sind. Und diese Stimmen sind nicht
verschenkt! Denn kleine Parteien kann man mit seiner Stimme bewusst
unterstützen. Man kann dafür sorgen, dass diese Parteien sich finanzieren
können, und ihnen somit die Chance zur Entwicklung geben.
Alternativlosigkeit gibt es nicht!
Ein klassisches Argument, das mir von alteingesessenen
Nicht-Wählern immer wieder entgegengebracht wird ist: Es gibt keine Partei, die
ich wählen will. Bei diesem Argument kommen in mir zwei Gedanken auf:
Zum einen stellt sich mir die Frage, ob sich die betreffende
Person genug über die verschiedenen Parteien informiert hat. Dies sollte jede und jeder mündige Mensch als Pflicht für sich selbst sehen und ernst nehmen.
Aber mal angenommen, man hat sich wirklich eingehend mit der
Materie auseinandergesetzt und ist dann zu dem Schluss gekommen, dass es
tatsächlich keine Partei gibt, der man guten Gewissens seine Stimme geben kann,
ist es trotzdem nicht der richtige Rückschluss, nicht zur Wahl zu gehen.
Denn mit einer Nicht-Wahl macht man eine völlig andere
Aussage. Wer nicht zur Wahl geht, sagt damit, dass es ihm oder ihr völlig egal ist,
wer regiert. Wer nicht zur Wahl geht, entzieht sich damit selbst jede
Legitimation im Nachhinein Kritik zu üben. Kurz gesagt – wer nicht zur Wahl
geht, dem ist es egal!
Jemand der jedoch mitbestimmen möchte, nur keine geeignete
Partei findet, sollte eine andere Folgerung daraus ziehen. Derjenige sollte zur
Wahl gehen und den Stimmzettel ungültig machen. Der sollte sich trotzdem die
Zeit nehmen, um die politische Aussage zu machen: Ich will mitreden, aber ihr
bietet mir kein akzeptables Angebot.
Das war noch längst nicht alles!
Natürlich lassen sich an dieser Stelle noch viele weitere
Argumente aufführen, warum man wählen gehen sollte. Um nicht jedes existierende
Argument so ausführlich zu beleuchten wie die Obigen, hier ein kurzer Überblick:
- Indem man wählen geht übernimmt man Verantwortung für nachfolgende Generationen.
- Auf unserer Welt gibt es bis heute Länder, in denen Menschen um ihr Wahlrecht kämpfen müssen.
- Wer wählen geht ist Vorbild für Kinder und alle anderen Mitmenschen.
- Für die, die sich nicht entscheiden, entscheiden andere.
- Nicht zur Wahl gehen, bedeutet mehr Gewicht für politische Randgruppen.
- ...
Immer noch nicht überzeugt?
Hier noch eine Sammlung augenzwinkernder Gründe für die
letzten Zweifler:
- Auch wenn man am Abend vorher feiern war, das Wahlbüro hat bis 18:00 Uhr offen. Das schafft man sogar mit Kater.
- Beim Rauchen vor dem Wahllokal lernst du sicherlich nette Leute kennen.
- In der Wahlkabine hast du ein paar Minuten Ruhe vor deinem Partner/ deiner Schwiegermutter/ deinem Chef....
- Sonntags haben die Geschäfte sowieso geschlossen. Was steht da dem Gang zum Wahllokal im Wege?
- Für die ganz Faulen gibt es ja immer noch die Briefwahl.
- Wer sich bei Castingshows an Abstimmungen beteiligt, kann das auch bei der Wahl schaffen.
- ...
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