Samstag, 1. Juni 2013

Wahlaltersenkung


Wahlalter 0?!


Bevor wir uns der Frage zuwenden, was Wahlalter 0 genau ist bzw. ob das Ganze sinnvoll ist, muss an dieser Stelle kurz erläutert werden, welches Wahlalter überhaupt gemeint ist. Die meisten Gruppen und Personen, die sich für das Wahlalter 0 einsetzen, meinen damit ausschließlich das aktive Wahlrecht. So bezieht sich auch mein Artikel nur auf dieses.
Wahlalter 0 ist für viele wahrscheinlich ein irreführender Begriff. Gemeint ist damit nicht, dass jeder neugeborene Säugling wählen soll. Die Bezeichnung steht viel mehr für ein Wahlalter „ab Entscheidung“. Das bedeutet, dass jeder Mensch sich frei entscheiden kann, ab wann er wählen gehen möchte. Kinder und Jugendliche müssten sich zu ihrer ersten Wahl ins Wahlregister eintragen lassen, ab X Jahren wäre man automatisch im Wahlregister.
Ein Plädoyer für gerechte Teilhabe:

                                          Lars Haberl

Contra „Wahlalter 0“

Wie man sich sicherlich denken kann, gibt es einige Gegner dieses Konzeptes, die alle ähnliche Argumente vorbringen. Diese habe ich an dieser Stelle kurz zusammengefasst:
  • Reife: Kinder und Jugendliche sind nicht reif genug um politische Entscheidungen zu treffen.
  • Interesse: Kinder und Jugendliche wollen sich nicht beteiligen.
  • Beeinflussbarkeit: Kinder und Jugendliche sind leicht beeinflussbar.
  • Radikal: Kinder und Jugendliche wählen radikal.

Pro „Wahlalter 0“

Selbstverständlich bekommst du nun auch die Argumente zu sehen, die für ein Wahlalter 0 sprechen. Auch hier handelt es sich um eine Zusammenstellung der gängigsten Argumente:
  • juristisch: Wählen ist ein Grundrecht, dass jedem Menschen zusteht. (Art. 20 GG, Art. 38 (1) GG, Allg. Erklärung der Menschenrechte)
  • machtpolitisch: Politik vertritt Interessen von Kindern und Jugendlichen stärker, wenn diese wählen dürfen. (Etwa 20% Bevölkerungsanteil)
  • Willkür: Alter ist ein willkürliches und unfaires Kriterium, um zu entscheiden, wer wählen darf und wer nicht.
  • Aktivierung: Wenn man Kinder und Jugendliche und ihre Interessen ernst nimmt, motiviert man sie somit, aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben.
  • Immunisierung: Frühzeitige Einbindung in demokratische Prozesse schützt vor demokratiefeindlichen Haltungen.
  • Fähigkeit: Kinder und Jugendliche sind durchaus in der Lage politische Entscheidungen zu treffen.
  • Verständlichkeit: Wenn Politik kindgerecht erklärt wird, ist das auch für Erwachsene hilfreich. 


Darüber hinaus werden in Argumentationen für das Wahlalter 0 häufig Argumente genannt, die schlichtweg die Gegenpositionen zu den genannten Argumenten der Gegner darstellen. So ist man der Ansicht, dass auch Erwachsene häufig unreflektierte Wahlentscheidungen treffen und somit der Grund für die Wahlentscheidung irrelevant für die Diskussion ist. Weiterhin muss beachtet werden, dass auch Erwachsene beeinflussbar sind. Schließlich würde ohne eine Beeinflussbarkeit bei Erwachsenen der gesamte Wahlkampf keinen Sinn ergeben.

Was sage ich dazu?

Wie bereits zu Beginn dieses Artikels erwähnt spreche ich mich für eine Wahlaltersenkung aus. Der ausschlaggebende Grund dafür war, dass Kinder und Jugendliche derzeit in der Politik nicht ausreichend berücksichtigt werden. Außerdem ist Wahlalter 0 ein Weg zu mehr Beteiligung, der dann erfolgreich sein kann, wenn er richtig begleitet wird. So fordere ich nicht nur das Wahlalter 0, sondern einen sinnvollen und gut durchdachten Umgang damit. Altersgerechte Begleitung und Befähigung zu politischem Diskurs in Elternhaus, Kindergarten, Schule und Freizeit wären unbedingt nötig. Desweiteren müssten von klein auf echte Beteiligungsmöglichkeit in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen geschaffen werden. So können Kinder und Jugendliche nach und nach lernen, mit der Verantwortung einer Entscheidung umzugehen und diese bewusst zu treffen.

Wie wählen Kinder und Jugendliche eigentlich?

Um sich eine Meinung zum Thema „Wahlalter 0“ zu bilden, ist es sicherlich hilfreich einen Blick auf Ergebnisse vergangener U18 Wahlen zu werfen:



Oben dargestellt sind die Ergebnisse der U18 - Bundestagswahl 2009. Wie man sieht haben Kinder- und Jugendliche die Grünen, die Piraten und sonstige Parteien deutlich mehr gewählt, als Erwachsene. Dafür haben CDU/ CSU sowie die FDP deutlich weniger Stimmen bekommen, als von den volljährigen Wählern.
Betrachtet man die Differenzen der Wahlergebnisse muss jedoch stets bedacht werden, dass auch zwischen den anderen Altersgruppen enorme Unterschiede zwischen den Wahlergebnissen zu finden sind. Beispielsweise wählten 2012 bei den Landtagswahlen in NRW nur 6% der über 60 jährigen die Grünen, bei den 18-24jährigen erzielte die Partei ganze 17%. 
Die U18 Wahllokale sind bei den vergangenen Wahlen nicht überall gleichermaßen vertreten gewesen, da sich nicht in jedem Ort ein Ausrichter für die U18 Wahl gefunden hat. Trotzdem haben 2009 bereits 127.000 Kinder und Jugendliche ihre Stimme abgegeben und auf diesem Wege deutlich gemacht, dass sie interessiert sind und politisch mitentscheiden möchten.

Eine repräsentative Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks hat weitere Interessante Ergebnisse zum Thema hervorgebracht. Die Ergebnisse zeigen: Kinder und Jugendliche wollen mitentscheiden! Zwei Drittel der Befragten zwischen 10 und 17 Jahren haben den Eindruck, dass es die Bundesregierung zu wenig interessiert, was junge Menschen denken. Die Befragten gaben an, dass sie vor allem bei den Themen Freizeitgestaltung, Schule und Umwelt mitreden wollen.
90% der Befragten Kinder und Jugendlichen gab an, dass es in ihrem Stadtteil/ Wohnort nicht genüg Beteiligungsmöglichkeiten gibt.
(http://www.dkhw.de/cms/80-startseite/1606-umfrage)

Wie soll das funktionieren?

Klar ist, dass Kinder nicht von klein auf plötzlich in der Lage sein werden, sich politisch zu beteiligen bzw. wählen zu gehen. Deshalb hier ein Konzept, wie politische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sinnvoll ablaufen kann:
  • 0-6 Jahre: Frühes Üben von Entscheidungsfindung, Kompromissfähigkeit, Vertreten eigener Meinungen und Einbindung in politische Gespräche
  • 7-9 Jahre: lebensweltbezogene Aufbereitung politischer Inhalte, Beteiligung an Wahlen, Themenverständnis und Spaß am Mitbestimmen, „Kinderwahlbüros“
  • 10-12 Jahre: Unterstützung eigener Meinungsbildung durch demokratische Strukturen in der Schule, Begleitung, Stärkung der politischen Bildung in der Schule und Jugendarbeit, Jugendverbände als Vorreiter
  • 13+ Jahre: reguläre Wahlteilnahme kompetenter BürgerInnen

Fazit

Wenn wir uns Mühe geben und die Regierung bereit ist, Ressourcen zu investieren, können wir es schaffen Kinder- und Jugendliche aktiv an Politik und Gesellschaft zu beteiligen. Machen wir uns frei von willkürlichen Grenzen und setzen wir uns ein für Teilhabe von Kindern und Jugendlichen!















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